Geschichte
Das Palmenhaus –
Schauhaus der Stadtgärtnerei
Der ab ca. 1870 angelegte gründerzeitliche Stadtteil Paradies nahm neben den Wohnquartieren zugleich Elemente der sich rasch modernisierenden städtischen Infrastruktur auf, darunter der Schlachthof, der Bauhof, das Gaswerk und Stadtgärtnerei.
1922 verdrängte die Erweiterung des städtischen Gaswerkes (Ecke Gottlieber- /Schulthaißstr.) die benachbarte Stadtgärtnerei weiter in Richtung Süden zum Saubach hin.
Der damalige Leiter der Stadtgärtnerei, Emil Vollmer, konnte aufgrund seiner zugkräftigen Argumente einen Ausbau der Stadtgärtnerei durchsetzen. Insbesondere argumentierte er dabei mit dem Schutz der Pflanzen vor der Rußentwicklung des Gaswerks und der angemessenen Unterbringung des wertvollen Palmenbestandes, „wie derselbe in den größten Städten Badens nicht vorhanden ist“.
Mit Beschluss des Stadtrates vom 09.03.1922 zum Neubau der Stadtgärtnerei wurde zugleich der Konstanzer Architekt Friedrich Heinzmann mit der Planfertigung und Bauleitung beauftragt. Die Ausführung – insbesondere der Glaskonstruktionen – erfolgte durch die Oscar Mehlhorn GmbH in Schweinsberg / Sachsen, einem Spezialbetrieb für modernen Gewächshausbau, mit einer weiteren Niederlassung in München.
Trotz Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung und öffentlicher Kritik an solcherart Verschwendung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, konnte die neue Stadtgärtnerei nach nur kurzer Bauzeit bereits am Samstag vor Pfingsten 1923 feierlich eröffnet werden.
Die ursprüngliche Anlage umfasste das Verwaltungs-und Wohngebäude (Gärtnerhaus) mit dem unmittelbar daran anschließenden großen Palmenschauhaus und den im rechtem Winkel dazu angelegten weiteren Gewächshäusern. Stilistisch lässt sich die Fassade des Gärtnerhauses mit seiner Pilastergliederung, den Rundbögen im Erdgeschoss und dem markanten Dreiecksgiebel in das Umfeld der konservativen Architektur“ der 1920er-Jahre einordnen.
Bemerkenswert ist der gestalterische Anspruch, mit dem die Stadt Konstanz – trotz der wirtschaftlich schwierigen Verhältnisse kurz nach dem 1. Weltkrieg – hier einen Zweckbau errichtete.
Das Palmen(schau)haus steht in langer Tradition.
Beginnend mit dem 17. Jh. erfreuten sich Pomeranzenhäuser und Orangerien zur Züchtung von Citrusfrüchten großer Beliebtheit. Sie waren über Jahrhunderte hinweg wesentliche Bestandteile der fürstlichen Gärten und Parks. Deren anfänglich noch abschlagbaren Holzkonstruktionen wurden – bedingt durch die v.a. seit dem 19. Jh. intensivierte Kultivierung exotischer Pflanzen, insbesondere von Palmen und tropischen Nutzpflanzen – durch ganzjährig temperierte Pflanzenhäuser aus Eisen und Glas abgelöst, die nun vermehrt in den botanischen Gärten der großen europäischen Städte entstanden.
Vorrausetzung für diese lichtdurchfluteten Gewächshäuser waren technische Neuentwicklungen in der Gieß- und Walztechnik seit dem späten 18. Jh. sowie verbesserte Heizsysteme.
Vermutlich reiste der Konstanzer Stadtrat nach München, wohl nicht nur um die Niederlassung des ausführenden Betriebs zu besichtigen, sondern vielleicht auch um Anregungen bei dem großen Gartenkünstler Friedrich Ludwig von Sckell (1750 - 1823) und seinen im Nymphenburger Schlosspark stehenden Orangerien zu holen.
Etwas Besonderes stellt in Konstanz die Verbindung des eigentlichen Palmenhauses
mit dem Verwaltungs- und Wohngebäude dar. Hervorzuheben ist die gute und vollständige Erhaltung der Architektur im originalen Bestand.
Das Gebäude ist nach baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz Kulturdenkmal.
Öffnungszeiten siehe unter "Mehr"
Das Gaswerk (hinter der Baumreihe) war bereits in den 1930er Jahren von Wohnhäusern umgeben. Das Palmenhaus ist am Bildrand unten halbrechts zu erkennen.
das alte Gaswerk
das Gärtnerhaus
Zur Instandsetzung
Bereits 16 Jahre nach Erstellung musste die Glaseindeckung des Palmenhauses erstmals überholt werden, 1963 kam es zum weitgehenden Austausch der Holzprofile in Stahl. Um 1990 erhielt der Südgiebel eine Gewächshauskonstruktion aus Aluminium.
Wenige Jahre später wurden auch die Holzprofile der Seitenwände größtenteils in Stahl ersetzt.
Obwohl auch die aktuelle, durch das städtische Hochbauamt im Jahr 2005 durchgeführte Instandsetzung ihre Ursache im Materialverschleiß hatte – wie schon 1939 drohten Glasscheiben abzustürzen, was zur Schließung des Schauhauses führte – war die Vorgehensweise eine völlig andere. Das Palmenhaus wurde nun als schützenswertes Baudenkmal behandelt. An die Stelle des lediglich technisch motivierten Materialaustausches traten die Reparatur der Bauteile oder die bewusste Annäherung an das ursprüngliche Erscheinungsbild. Lediglich dort, wo technisch unumgänglich, wurde historische
Substanz ersetzt.
Das Rahmengerüst der Verglasungen konnte weitgehend erhalten und aufgearbeitet werden, darunter auch die letzten originalen Holzprofile. Indes wurde die jüngste Aluminiumkonstruktion des Südgiebels bewusst demontiert zugunsten eines Stahlgerüstes im ursprünglichen Raster, womit eine Annäherung an das historische Erscheinungsbild gelang. Wiederum lediglich instand gesetzt wurden das äußere Sichtmauerwerk und der Innenputz, selbst die historische
Heizungsanlage konnte wieder in Funktion gesetzt werden.
Bei der ohnehin nicht mehr originalen Verglasung war aus technischen bzw. wirtschaftlichen Gründen die komplette Erneuerung geboten. Dabei wurden das Kathedralglas der Dachflächen und das Klarglas der Seitenwände einheitlich durch Einscheiben Sicherheitsverglasung ersetzt. Die Lüftungsklappen der Seitenwände wurden wieder erstellt und an die noch vorhandene Mechanik angeschlossen. Die Farbgebung erfolgte auf Grundlage restauratorischer Untersuchungen und analog zu den unterschiedlichen Bauphasen.
Die originalen Holzprofile der Seitenwände erhielten die grüne Originalfassung zurück, die im Original metallsichtige Tragkonstruktion sowie die Heizungsrohre wurden in Anthrazit gestrichen, die nachfolgenden Einbauten aus Stahlprofilen in hellerem Grauton.
Das durch Niederlegung angebauter Gewächshäuser freigelegte, indes nicht auf Sicht konzipierte Außenmauerwerk wurde teilweise verputzt und entsprechend der ursprünglichen Farbgebung des Gärtnerhauses in kräftigem Ocker gefasst.
Der weitere Bestand ist durch ein differenziertes Nutzungskonzept gesichert.
Im Kopfbau – dem Gärtnerhaus – sind der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Deutsch-Tschechische Vereinigung untergebracht. Das eigentliche Palmenhaus steht der Öffentlichkeit, insbesondere den Bewohnern des Stadtteils Paradies, als grünes Refugium offen. Der Pflanzbestand des Schauhauses wurde dabei heutigen Bedürfnissen angepasst. Exotische Gehölze ersetzen das frühere dichte Arrangement von Staudenpflanzen, wobei die Nutzung als Kalthaus unverändert blieb.
Weitere Maßnahmen
Doch damit ist das Konversionsprojekt „Stadtgärtnerei“ noch nicht abgeschlossen. In naher Zukunft steht die Außeninstandsetzung des Gärtnerhauses mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Farbigkeit an. Zudem soll das Umfeld, derzeit bestimmt von großflächigen Spielrasenflächen, durch eine gärtnerische Neugestaltung aufgewertet werden.
Mit dem kleinen Baumhain östlich des Palmenhauses wurde bereits der Auftakt für eine angemessene städtebauliche Einbindung des Baudenkmales gesetzt. Blühende Solitärgehölze und Blühsträucher sowie ein kleiner Themengartenband auf der Westseite sollen in Zukunft weitere Schmuckelemente des neuen Stadtteilparks bilden. Das vorhandene Sozialgebäude aus den 1980er Jahren wird in die Neuplanung integriert, die Realisierung eines bereits 2001 projektierten Anbaus des Konstanzer Architekturbüros Braun + Müller musste aus Finanzierungsgründen leider bis auf weiteres zurückgestellt werden.
Die Instandsetzung des Palmenschauhauses konnte dank großzügiger Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz durchgeführt werden. Entscheidend für Erhaltung und Zukunft des wertvollen Baudenkmales waren indes vor allem die Aktivitäten der Agenda-Gruppe „Palmenhaus“, welche letztlich die Initialzündung für die Instandsetzung gab und sich für die öffentliche Nutzung sowie die Freihaltung des unbebauten Umfeldes einsetzte.
Das Palmenhaus steht somit beispielhaft für den hohen Stellenwert, welcher anhaltendem bürgerschaftlichen Engagement für die Erhaltung bzw. nachhaltige Nutzung und Pflege unserer Kulturdenkmale zukommt.